Anfang 1958 wählte die NATO die Fiat G.91 als neues, leichtes Erdkampfflugzeug. Allerdings entschieden sich in der Folge nur Italien und Deutschland für einen Kauf. Am 6. November 1958 hatte der Verteidigungsausschuss des Bundestages die Beschaffung von 50 G.91 R.3 sowie 44 G.91 T.3 bei Fiat genehmigt. Ein Abkommen zum Lizenzbau folgte wenig später. Die deutschen "Ginas" waren mit zwei 30-mm-Kanonen DEFA 552 anstelle der üblichen vier 12,7-mm-MGs bewaffnet. Die Arbeitsgemeinschaft Süd, bestehend aus Dornier, Heinkel und Messerschmitt, produzierte 316 Exemplare – davon 22 Doppelsitzer G.91 T.3, deren britisches Orpheus-Triebwerk in Lizenz bei Klöckner-Humboldt-Deutz entstand. Damit war Deutschland der größte Betreiber der "Gina". Der Erstflug der G.91 R.3 von Dornier (Kennung ED+101) erfolgte am 20. Juli 1961 mit dem Testpiloten Franziskus Marinus Tuytjens am Steuer. Die Produktion endete bereits am 26. Mai 1966.
Unsere Highlights
Die Fiat G.91 entstand nach NATO-Vorgaben für ein leichtes Jagd- und taktisches Unterstützungsflugzeug.
Erste Schritte in Turin
Die Luftwaffe plante die Aufstellung von zwei Aufklärungs- und vier Jagdbombergeschwadern mit dem neuen Muster. Die Einführung und Ausbildung begann bei der Waffenschule der Luftwaffe (WaSLw) 50 in Erding. Im Mai 1960 reisten die ersten beiden Luftwaffen-Piloten nach Turin, um bei Fiat auf die G.91 umzuschulen. Fünf Monate später überführten sie die ersten beiden bei Fiat gebauten G.91 nach Erding. Im November 1960 begann dort der erste Ausbildungskurs. Mitte der 60er Jahre musste die Führung die Planung aus finanziellen und personellen Gründen auf vier Geschwader reduzieren, die nun als Leichte Kampfgeschwader (LeKG) bezeichnet wurden.
Ausbildung in "Fürsty"
Die Schulung oblag nach wie vor der WaSLw 50, die zu Beginn des Jahres 1964 in Fürstenfeldbruck eine neue Heimat gefunden hatte. Deren Auftrag konzentrierte sich – nach Verlagerung der fliegerischen Grundausbildung in die USA im Jahr 1968 – auf die Schulung von G.91-Piloten.
Nach der Beschaffung der F-4 Phantom durch die Luftwaffe erfolgte in "Fürsty" zeitweise die Ausbildung von Kampfbeobachtern. Hier kamen die G.91-Doppelsitzer zum Einsatz. Am 1. Oktober 1978 erfolgte die Umbenennung in Jagdbombergeschwader 49. Ende 1979 konnte die Einheit die 200 000. Flugstunde auf der G.91 verzeichnen. Wenig später begann die Ausmusterung zugunsten des Alpha Jets. Am 9. Januar 1980 startete die letzte G91 R.3 zur Luftwaffen-Schleuse nach Oldenburg. Die Trainer folgten zwei Jahre später.
Einsatzbereitschaft hergestellt
Der erste G.91-Einsatzverband der Luftwaffe war das Aufklärungsgeschwader 53, das im Oktober 1961 in Erding aufgestellt und später nach Leipheim an der Donau verlegt wurde. Im Jahr 1965 erfolgte die Umbenennung in LeKG 44. Während die anderen Verbände auf andere Typen umrüsteten, wurde das LeKG 44 im April 1975 aufgelöst.
Das Jagdbombergeschwader 41 in Husum schloss im Mai 1965 die zwei Jahre zuvor begonnene Umrüstung von der Republic F-84F Thunderstreak auf die G.91 R.3 ab und wurde am 1. Januar 1966 in LeKG 41 umbenannt. Schon am 17. Mai 1967 absolvierten die Piloten die 25 000. Flugstunde auf dem kleinen Jagdbomber. Der Verband nahm erfolgreich an mehreren Übungen und Wettbewerben teil. Ersatz kam Anfang der 80er in Form des Dassault/Dornier Alpha Jets. Die letzten vier G.91 verließen Husum am 11. Feburar 1982.
Für die Ausbildung neuer Piloten auf der G.91 konnte die Luftwaffe auf Doppelsitzer zurückgreifen.
Von der "Gina" zur Phantom
Auch das Jagdgeschwader 73 in Pferdsfeld sollte 1963 von der Canadair CL-13 Sabre Mk 6 auf die G.91 R.3 umrüsten, doch im Mai 1964 machten technische und personelle Schwierigkeiten den Planern einen Strich durch die Rechnung. Erst 1966 setzte der nun als Jagdbombergeschwader 42 (später LeKG 42) bezeichnete Verband die Umrüstung auf die "Gina" fort; sie wurde 1967 abgeschlossen. Nicht einmal zehn Jahre später stieg der Verband von der kleinen Fiat auf ein ganz anderes Kaliber um: die McDonnell Douglas F-4F Phantom II. Im April 1975 war die Ära der G.91 in Sobernheim/Pferdsfeld beendet. Im Mai 1966 begann auch das Jagdbombergeschwader 43 in Oldenburg mit der Umrüstung von der Sabre auf den italienischen Jet und wurde im folgenden Jahr in LeKG 43 umbenannt. Der Alpha Jet übernahm ab Februar 1981.
Ungeliebte Stiefkinder
Ein nur kurzes Gastspiel bei der Luftwaffe hatte die G.91 R.4. Griechenland und die Türkei hatten 50 Exemplare bestellt, nahmen aber später Abstand von einem Kauf und entschieden sich für die Northrop F-5 Freedom Fighter. Aus politischen Gründen sollte die Luftwaffe die Maschinen übernehmen, deren Hauptunterschied zur deutschen R.3-Variante in der Bewaffnung bestand. Sie verfügten über vier 12,7-mm-MGs statt der zwei 30-mm-Bordkanonen. Aber auch bei Avionik und sonstiger Ausrüstung gab es Unterschiede. Daher blieben Einsatzspektrum und Nutzungsdauer beschränkt: Die R.4 dienten bei der WaSLw 50 in Fürstenfeldbruck der Ausbildung von Flugzeugführern, bis 40 Exemplare im Jahr 1966 an die Luftstreitkräfte Portugals übergeben wurden – im Gegenzug für die Nutzung des Fliegerhorstes Beja. Zuvor waren fünf Maschinen abgestürzt, eine wurde zur Ersatzteilgewinnung herangezogen. Vier R.4 blieben in Deutschland: Die BR+361 diente als Ausstellungsobjekt in der Wanderausstellung "Unsere Luftwaffe" und blieb später, mit einem Tigeranstrich versehen, bei der 1. Staffel auf dem Fliegerhorst Oldenburg, bis sie verschrottet wurde. Die BR+239 steht heute im Museum in Gatow, die BR+362 als Sockelflugzeug in Heide und die BD+248 im Luftfahrtmuseum Wernigerode.
Die kleine Fiat G.91 erwies sich im Einsatz als unkompliziertes Flugzeug.
Unkompliziert, aber "kurzsichtig"
Im Lauf ihrer Karriere erwies sich die "Gina" als unkompliziertes Flugzeug, sowohl in technischer als auch in fliegerischer Hinsicht. Zunächst gab es allerdings Probleme mit dem Navigationssystem: Das für die deutschen Maschinen entwickelte Kreiselsystem funktionierte nicht, so dass die Jets nur bei Sichtflugbedingungen in die Luft steigen durften. Erst der Einbau einer TACAN-Anlage im Abteil der rechten Bordkanone sorgte für Abhilfe. Jedoch ließ sich die Kanone in diesem Fall nicht nutzen. Schnell behoben werden konnten die Probleme mit der Kraftstoffregelung und den Bremsen.
Vom Alpha Jet verdrängt
Die Hauptaufgabe der G.91 war die Unterstützung von Bodentruppen. Im Kriegsfall sollte das Waffensystem Einsätze bis zu 185 Kilometern hinter der Front fliegen. Dazu mussten die LeKGs näher an das Geschehen verlegen und auch von Behelfsflugplätzen, Autobahnabschnitten oder Graspisten aus fliegen. Letztere Einsatzmöglichkeit wurde auch in Deutschland erprobt, unter anderem in Bad Tölz. In den 70er Jahren galt der Jet aufgrund der geringen Waffenzuladung und niedrigen Geschwindigkeit sowie fehlender Avionik (Allwetterfähigkeit, Waffenrechner) als nicht mehr zeitgemäß. Als Ersatz entschied sich die Luftwaffe für eine Jagdbomberversion des Alpha-Jet-Trainers. Mit dem letzten Flug der weiß-blauen G.91 T.3 von Fürstenfeldbruck zur Verwertung nach Oldenburg am 11. März 1982 endete die Ära der "Gina" bei der Luftwaffe. Fast 60 Einsitzer und neun Doppelsitzer waren bei Unfällen und Abstürzen verloren gegangen. Viele der verbliebenen Exemplare fanden später in Portugal eine neue Heimat, dort flogen sie noch bis 1993.
Zu ihrem letzten Flug am 11. März 1982 bekam diese G.91 aus Fürstenfeldbruck einen weiß-blauen Sonderanstrich. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Letzter Einsatz als Zielschlepper von Condor
Die letzten deutschen G.91 im Einsatz waren die Maschinen von Condor. Die Fluggesellschaft betrieb neben dem Airline-Geschäft ab 1975 zeitweise bis zu 22 Ein- und zwei Doppelsitzer zur Zieldarstellung für Einheiten der Bundeswehr vom Fliegerhorst Hohn aus. Der Betrieb wurde erst am 28. Januar 1993 nach 32 207 unfallfreien Flugstunden eingestellt.
Luftwaffe: Die G.91-Verbände
Leichtes Kampfgeschwader 41, Husum: Umrüstung von F-84F auf G.91 R.3 begann 1963; letzter G.91-Einsatz am 11. Februar 1982; Umrüstung auf Alpha Jet und Umbenennung in JaboG 41
Leichtes Kampfgeschwader 42, Pferdsfeld: Umstellung von Sabre Mk 6 auf G.91 R.3 im Jahr 1967 abgeschlossen; im April 1975 als Jagdbombergeschwader 35 Wechsel auf die F-4F Phantom II
Leichtes Kampfgeschwader 43 (ehemals AG 54), Oldenburg: Einführung der G.91 R.3 im Mai 1965 und Außerdienststellung der Sabre Mk 6; Umrüstung auf den Alpha Jet ab Februar 1981
Leichtes Kampfgeschwader 44 (ehemals AG 53), Leipheim:Aufstellung mit G.91 R.3 im Oktober 1961 in Erding; Auflösung des Geschwaders im April 1975
Waffenschule der Luftwaffe 50, Fürstenfeldbruck: Ausbildung von G.91-Piloten; später in JaboG 49 umbenannt; letzter G.91-Flug 1982
Technische Daten
Die G.91 R.3 (hier ein Jet des LeKG 41 aus Husum) führte ihre Bewaffnung an den vier Außenlaststationen mit. Foto und Copyright: KL-Dokumentation
Fiat G.91 R.3
Hersteller: Fiat Aviazione, Turin (Dornier, Oberpfaffenhofen, in Lizenz)
Verwendung: einsitziger leichter Jagdbomber und Aufklärer
Triebwerk: 1 Bristol Siddeley Orpheus 803 D-11 mit 22,24 kN Schub
Spannweite: 8,56 m
Länge: 10,29 m
Höhe: 4,00 m
Flügelfläche: 16,42 m²
Leermasse: 3100 kg
Zuladung: 1000 kg
max. Startmasse: 5850 kg
Einsatzgeschwindigkeit: 780 km/h
max. Geschwindigkeit: 1080 km/h
Dienstgipfelhöhe: 12 000 m Einsatzradius: ca. 200 km
Landerollstrecke: 400 bis 1200 m
Bewaffnung: zwei 30-mm-Kanonen DEFA 552 mit je 125 Schuss, Bomben und Raketenwerfer an vier Aufhängepunkten
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